Kriton

Sokrates befürchtet, dass Kriton ihm die Meinung der Vielen aufdrängt, während er sein Leben lang nur den Geboten der Vernunft und der Meinung des einen Weisen oder Gelehrten gefolgt ist. Es gab eine Zeit, in der Kriton selbst dies für angemessen hielt. Und obwohl jemand sagen wird: „Die Vielen können uns töten“, macht das keinen Unterschied; aber ein gutes Leben, mit anderen Worten, ein gerechtes und ehrenhaftes Leben, ist allein wertvoll. Alle Überlegungen hinsichtlich eines Rufverlusts oder einer Schädigung seiner Kinder sollten außer Acht gelassen werden: Die einzige Frage ist, ob er mit seinem Fluchtversuch richtig handeln würde. Kriton, ein uneigennütziger Mensch, der keine Todesangst hat, soll ihm diese Frage beantworten. Vor seiner Verurteilung hatten sie oft Diskussionen geführt, in denen sie sich einig waren, dass niemand Böses tun, Böses mit Bösem vergelten oder das Recht verraten sollte. Sollen diese Grundsätze geändert werden, nur weil sich Sokrates‘ Umstände geändert haben? Kriton gibt zu, dass sie gleich geblieben sind. Ist seine Flucht dann mit der Aufrechterhaltung dieser Grundsätze vereinbar? Darauf kann oder will Kriton nicht antworten.