Ausgewählte Aphorismen aus Nietzsches Rückblick auf seine Jahre der Freundschaft mit Wagner

Dem ist eine symbolische Deutung beigefügt, eine Art philologischer Kommentar, der dem inneren und freien Verständnis der Vorstellungskraft Fesseln anlegt – er ist tyrannisch. Musik ist die Sprache des Kommentators, der die ganze Zeit redet und uns keine Atempause lässt. Zudem ist seine Sprache schwierig und bedarf der Erklärung. Wer sich Schritt für Schritt zuerst das Libretto (die Sprache!) aneignet, es dann vor seinem geistigen Auge in die Tat umsetzt, dann die dazugehörige musikalische Symbolik sucht, versteht und sich damit vertraut macht, ja, und sich in alle drei Dinge verliebt hat: Ein solcher Mensch empfindet dann große Freude. Aber wie anspruchsvoll! Es ist völlig unmöglich, dies außer für wenige kurze Augenblicke zu tun, diese zehnfache Aufmerksamkeit der Augen, Ohren, des Verstandes und des Gefühls, diese intensive Aktivität des Begreifens ohne produktive Reaktion ist viel zu anstrengend! Nur die Allerwenigsten verhalten sich so: Wie kommt es dann, dass so viele betroffen sind? Weil die meisten Menschen nur zeitweise aufmerksam sind und manchmal ganze Passagen am Stück unaufmerksam bleiben; weil sie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit mal der Musik, mal dem Drama und dann der Szenerie widmen, das heißt, sie zerlegen das Werk.