Der Antichrist

Von allen Büchern Nietzsches kommt „Der Antichrist“ der Konventionalität in seiner Form am nächsten. Es enthält eine zusammenhängende Argumentation mit sehr wenigen Zwischenspielen und hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Die meisten seiner Werke sind Sammlungen von Apothegmen, und manchmal wechselt das Thema auf jeder zweiten Seite. Diese Tatsache stellt einen der Anklagepunkte in der orthodoxen Anklage gegen ihn dar: Sie wird als Beweis dafür angeführt, dass seine Fähigkeit zum zusammenhängenden Denken begrenzt war und er daher geistig minderbemittelt und vielleicht ein ausgesprochener Schwachkopf war. Das Argument, das muss offensichtlich sein, ist grundsätzlich unsinnig. Was die Professoren täuscht, ist die traditionelle Weitschweifigkeit der Philosophen. Weil der durchschnittliche philosophische Autor bei dem Versuch, seine Ideen darzulegen, so übermäßige Ausführungen über die Wortarten macht, dass sein Wörterbuch fast leer ist, ziehen diese mangelhaften Beobachter voreilig den Schluss, dass seine inneren Vorstellungen von entsprechendem Gewicht sind.